Aufgebautes Spiel (Las Vegas Royal)

Ganz rational betrachtet kann man zu Las Vegas Folgendes sagen: Es ist ein supereinfaches Würfel- und Zockspiel von Rüdiger Dorn, das bereits 2012 veröffentlicht und damals auch zum »Spiel des Jahres« nominiert wurde (den Preis aber nicht gewann) und bei BoardGameGeek, der größten Spiele-Datenbank der Welt, momentan auf Rang 479 der besten Spiele aller Zeiten rangiert. Das ist bei über hunderttausend auf der Website gelisteten Spielen nicht schlecht, aber auch nicht wahnsinnig beeindruckend, und einstmals zum »SdJ« nominierte Spiele gibt es ebenfalls viele – von denen die meisten sehr schnell wieder in Vergessenheit geraten sind.

Es gibt also (bis auf das 20-jährige Jubiläum der Marke Alea von Ravensburger) gar keinen Grund dazu, eine auf de luxe gemacht neue Edition des Spiels – das jetzt Las Vegas Royale heißt – auf den Markt zu werfen. Wie gesagt, ganz rational betrachtet.

Auf jeden Fall ist es das spiel- und vorzeigbarste Spiel meiner nicht gerade kleinen Sammlung

Ich persönlich sehe das Spiel allerdings anders. Las Vegas war für mich immer ein Highlight und Alea-Lieblingsspiel. Insgesamt Top-Five-Material, mindestens. Auf jeden Fall ist es das spiel- und vorzeigbarste Spiel meiner nicht gerade kleinen Sammlung. Las Vegas kommt nie schlecht an, jeder versteht es und Partien sind immer spannend. Zudem hat es kein Nerd-Thema oder eine grafische Gestaltung zum Fremdschämen. Ich kann Las Vegas also immer und überall auf den Tisch bringen, wenn die Leute zumindest ein bisschen Lust auf analoge Spiele haben.

Und das Allerbeste: Bei Las Vegas ist das Thema vom ersten bis zum letzten Würfelwurf zu fühlen. Wir zocken im Casino, und egal ob wir am Wohnzimmertisch sitzen, auf dem Balkon oder in der Eckkneipe, fühlen wir uns sofort wie am Las Vegas Strip. So ein Feeling bekommt man sonst nur beim Pokerabend mit Whiskey, Zigarren und echtem Geld hin. Las Vegas ist übrigens auch nicht komplizierter als Blackjack oder Roulette und auf jeden Fall einfacher als Poker in seinen vielen Varianten.

Spielszene (Las Vegas)
© Hendrik Breuer

Und was passiert genau? Wir werfen unsere acht Würfel, wählen eine Zahl aus und setzen alle Würfel mit dieser Zahl im entsprechenden Casino (jeweils eines für die Zahlen von Eins bis Sechs) ein. Schon ist die Nächste dran. In jedem Casino wird Geld gewonnen und wenn alle ihre acht Würfel los sind, bekommt jeweils die Person mit den meisten Würfeln in jedem der Casinos die großen Scheine. Bis hierhin ist das hoffentlich noch gut nachvollziehbar, wenn auch noch nicht besonders gewitzt.

Las Vegas lebt von einem genialen Einfall: Immer wenn in einem Casino Gleichstand an Würfeln herrscht, fliegen alle beteiligten Spieler raus aus der Wertung. Gibt es im Fünfer-Casino also richtig viel Kohle zu holen und zwei Spielerinnen starten ein Wettbieten, das aber mit vier zu vier Würfel endet, kann eine dritte Person das Geld mit weniger Würfeln abstauben. Es kann sich also lohnen, in Casinos auch mal nur einen Würfel zu setzen. Allerdings hat man ja auch nur acht Würfel pro Durchgang zur Verfügung. Außerdem ist Las Vegas bei allen kurzfristigen Überlegungen noch immer ein glückslastiges Spiel, bei dem man die nötige Fortune braucht. Die beste Strategie ist nichts wert, wenn die gewünschten Zahlen einfach nicht fallen. Wahrscheinlichkeiten hin oder her.

Ihr seht, was an diesem Spiel so toll ist: Jeder gesetzte Würfel steigert die Spannung, bringt uns dem »Endgame« näher und hat direkte Auswirkungen auf alle Mitspieler. Genau wie in der Spielbank, nur für viel weniger Geld. Da kann man dann auch mal so richtig jubeln, wenn der Dreierpasch zur rechten Zeit kommt oder die Mitspielerin nur Einsen und Zweien hinkriegt, wenn ihr alles andere den sicheren Sieg gebracht hätte.

Von diesem tollen Spiel gibt es nun also eine Neuauflage. Die gute Nachricht vorweg: Das Originalspiel wurde nur minimal verändert und ist noch immer als »Grundspiel« in der Las Vegas Royale-Schachtel enthalten. Kleine Abweichungen in den alten Regeln machen nichts schlechter und neu eingeführte Jetons, mit denen man auch mal passen kann, sind eine gute Idee. Die Casinos sehen edler aus und es gibt eine Würfelarena, was ganz nett ist, aber nicht praktisch für große Tische. Da würfelt man doch eher direkt vor sich, als einmal über den ganzen Tisch zu langen und womöglich noch ein paar Gläser umzuhauen.

Verpackung (Las Vegas Royal)

Das neue Hauptspiel bringt mir außer viel Gedöns und Erkläraufwand keinen erkennbaren Mehrwert.

Kommen wir zum neuen »Hauptspiel«, Las Vegas Royale. Die Grundregeln bleiben gleich, doch kommen jeweils drei (von insgesamt 16) Tafeln hinzu, die an die ersten drei Casinos angeschlossen werden. Jede dieser Tafeln beinhaltet eine Art »Mini-Spiel«, das aktiviert wird, sobald Würfel in den entsprechenden Casinos platziert werden. Damit ändert sich der Fluss des Spiels gewaltig. Anstatt dass es schnell von Spielerin zu Spielerin geht, kommt es bei Las Vegas Royale ständig zu Unterbrechungen, weil jemand ein Mini-Spiel triggert und dann meistens erst mal nachfragt, was jetzt überhaupt passiert.

Für ein schnelles, supereinfaches Spiel wie Las Vegas bedeuten solche Pausen nichts Gutes. Auf einmal verkopft die lockere Zockerei und die tolle Atmosphäre geht flöten, was meiner Meinung nach daran liegt, dass viele der Mini-Spiele zu erklärungsintensiv und daher nicht mehr »Casino-mäßig« genug sind. Andere Mini-Spiele sind einfach blöd. Wenn ich ein bis drei Marker in die Hand nehme und den Nebenmann raten lasse, wie viele ich wohl ausgewählt habe, oder Plättchen mit verschiedenen Summen in zwei Stapel aufteile und die Mitspielerin einen davon nehmen lasse, fühle ich mich nicht mehr wie in Vegas, sondern bestenfalls wie auf einem stinknormalen Spieleabend.

Nicht alle der 16 Mini-Spiele sind misslungen, einige sogar ganz lustig wie die Tafel »Knockout«, bei der die Würfel an der Bar versacken. Andere wie »Jackpot« oder »Block It!« sind atmosphärisch dicht und können so schnell abgewickelt werden, dass sie nicht groß stören. Doch »nicht groß stören« als höchstes der Gefühle ist wahrscheinlich nicht, was man mit der Neuauflage erreichen wollte.

Mein Fazit zu Las Vegas Royale ist daher zweigeteilt. Es ist schön, dass es das großartige Las Vegas jetzt in einer wertigeren Edition gibt (die neue Schachtel sieht tatsächlich viel besser aus!). Das Spiel wirkt auch nach sieben Jahren noch frisch und ist eine klare Kaufempfehlung. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass ich beim Grundspiel bleiben werde und die Tafeln nicht mehr ausgepackt werden. Das neue Hauptspiel bringt mir außer viel Gedöns – auf einmal muss man auch zwischen den Runden mit viel Material rumwurschteln – und Erkläraufwand keinen erkennbaren Mehrwert. Ach ja, als Zwei-Personen-Spiel kann ich weder das alte noch das neue Spiel empfehlen. Spielt Las Vegas lieber in einer größeren Gruppe, dann ist und bleibt es eines der besten Brettspiele auf dem Markt!