BR Class 43 HST von vorne (Train Sim World)

Unter anderem kümmert sich Dovetail Games seit Jahren um die Produktpflege und Weiterentwicklung des alten Train Simulators. Für diesen gibt es auf Steam allein über 500 Erweiterungen, welche zum Zeitpunkt des Artikels, mehr als 6.500 Euro kosten. Hinzu kommen zahlreiche Pakete von Fans und Drittherstellern. Aber über den »alten« Zug-Simulator will ich heute nicht sprechen, sondern über die moderne Fortsetzung Train Sim World.

Vielleicht kommt mein Interesse an Zug-Simulatoren daher, dass ich in der Nähe eines Bahnhofs groß geworden bin oder weil wir eine selbst gebaute Modellbahn-Anlage im Keller hatten? Vielleicht auch daher, dass ich meine Ausbildung ausgerechnet bei der Deutschen Bahn gemacht habe? (Nein, nicht als Lokführer, sondern im IT-Bereich.) Wer weiß es schon genau, auf jeden Fall kann ich Simulatoren und auch Bus- sowie Bahn-Sims einfach etwas abgewinnen. Hier habe ich dann endlich mal die Chance, dafür zu sorgen, dass die Züge auch pünktlich kommen – was aber gar nicht so einfach ist.

Grafisch ist das Spiel für jeden einen Blick wert

Der wohl größte Unterschied zum alten Train Simulator wird bereits bei einem Blick auf die Screenshots und Videos schnell klar: Train Sim World spielt grafisch in einer anderen Liga, insbesondere bei den Zug-Modellen. Die Unreal Engine 4 bildet das Grundgerüst für den Simulator und wirklich alle Waggons sowie Lokomotiven wurden mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. Nahezu alle Schalter lassen sich auch drücken und sind mit einer Funktion hinterlegt.

Allein diese Punkte reichen für viele Fans von Modellbahnen sowie den echten Gegenstücken bereits aus und ich gebe zu, dass mich die Grafik von Anfang an begeistert hat. Tag- und Nachtwechsel, Regen, Sturm und Schnee gibt es ebenfalls. Die grafischen Verbesserungen sind daher grundsätzlich positiv, verlangen aber auch nach deutlich flotteren Rechnern. Inzwischen gibt es Train Sim World aber auch für die Xbox One und PlayStation 4.

DB BR 767.2 von vorne (Train Sim World)

Train Sim World ist sicher nichts für jeden Gamer da draußen und nicht einmal für jeden Simulator-Sympathisanten.

Was steckt drin?

Der alte Train Simulator bietet allerdings auch Vorteile, darunter den Editor und die zahlreichen von Fans erstellten Inhalte. Darauf und auf Inhalte von Drittherstellern muss man bei Train Sim World noch verzichten. Neue Lokomotiven sowie Strecken gibt es nur direkt vom Hersteller und die müssen teuer bezahlt werden. Eine neue Lokomotive kostet 13,99 Euro, eine neue Strecke (meist mit neuen Zügen) sogar 29,99 Euro. Wie Modellbahnen sind also auch Zug-Simulatoren eine teure Spielerei.

Über den Preis kann man daher auch immer wieder aufs Neue streiten. Meist gibt es in den Erweiterungen nur eine Handvoll Szenarien und ein paar Tutorials. Die Streckenlänge in Train Sim World ist obendrein überschaubar. Mehrere Stunden ist man nie unterwegs, sondern eher 30 bis 60 Minuten. Einen Mehrspieler-Modus gibt es nicht und auch der Editor ist noch nicht fertig. Immerhin kann man, abseits der vorgefertigten Szenarien, noch den Fahrplan-Modus nutzen. Hier fährt man, dank des vorgegebenen Fahrplans, einfach einen Zug oder reist auch mal als Passagier bei der KI mit.

Ich bleibe allerdings dabei, dass der Inhalt für den Preis etwas dünn ist. Auch wenn es neben Personenverkehr noch den Gütertransport gibt. Die Lokomotiven selber sind dabei nicht wirklich kompliziert. Die Signale, Sicherheitssysteme und das korrekte Bremsverhalten zu erlernen, sind die wirklichen Herausforderungen von Train Sim World.

Neben Strecken in England und den USA, gibt es inzwischen auch drei Routen in Deutschland. Dabei ist man jeweils mit Nahverkehrszügen unterwegs, darunter auch die berühmten Doppelstockwagen. Auf Dampflokomotiven oder Schnellzüge muss man aktuell noch komplett verzichten. Bedenkt man allerdings die Langlebigkeit des Train Simulators, kann man diese oder ähnliche Inhalte wohl früher oder später auch in Train Sim World erwarten.

Macht sowas überhaupt Spaß?

Für Zugfreunde ist Train Sim World natürlich deutlich attraktiver, allein aufgrund der detaillierten Modelle und der liebevoll nachgebauten Strecken. Als Spieler fehlt mir aber einiges: Wie wäre es etwa mit einer richtigen Kampagne, mit Ausbildung, Arbeitstagen und steigendem Schwierigkeitsgrad? Vielleicht sogar mit Gesprächen und Rollenspiel-Elementen? Warum zeigen die Displays auf Bahnsteigen keine Daten an? Warum zappeln die Fahrgäste so wild rum und ploppen einfach in die Sitze? Warum kann ich mir keine eigenen Szenarien zusammenstellen und diese vielleicht sogar mit Dialogen versehen? Warum gibt es keine Haltestellen-Ansagen oder Durchsagen im Zug?

Bei Train Sim World gibt es viel Raum für Verbesserungen und dennoch kann man für einige Stunden Spaß mit dem Spiel haben. Die Erkundung der neuen Modelle, die relativ hohe Bewegungsfreiheit auf Bahnhöfen und in Zügen sind lobenswert. Für mich – als nicht Experten – sind die Sicherheitssysteme, Signale sowie Loks sehr detailliert umgesetzt und durchaus beeindruckend. Sie können auch individuell ein- und ausgeschaltet werden, sogar direkt aus der Lok heraus. So kommen Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen mit dem Spiel zurecht.

Im Gegensatz zum Euro Truck Simulator 2, Landwirtschafts-Simulator 19 oder Bus Simulator 18 fehlen aber zahlreiche Freiheiten, ein Mehrspieler-Modus und eine Mod-Unterstützung. Dafür zieht Train Sim World an den meisten Konkurrenten grafisch und vom Detailgrad her deutlich vorbei.

Fazit: Train Sim World ist sicher nichts für jeden Gamer da draußen und nicht einmal für jeden Simulator-Sympathisanten. Auf Mods von Fans und Mehrspieler-Spaß muss komplett verzichtet werden. Die Inhalte vom Hersteller sind allesamt teuer und nicht sonderlich umfangreich. Auf der anderen Seite arbeitet ein kleines Team am Spiel und die hochdetaillierten Modelle sowie Strecken zu bauen, kostet sicher einiges an Zeit. Wer sich an dem noch recht geringen Umfang nicht stört und ein Faible für Züge hat, der kann durchaus einige Stunden Spielspaß aus Train Sim World rauskitzeln. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Editor eines Tages fertig wird und auch längere Hochgeschwindigkeitsstrecken ihren Weg ins Spiel finden werden.