
Mein achter Geburtstag war nicht nur aufgrund des feierlichen Ereignisses ein denkwürdiger Tag. Was ich damals nicht wusste: Von hier an sollte mein Leben eine neue Richtung nehmen und sowohl meine Freizeit, als auch mein beruflicher Werdegang maßgeblich beeinflusst werden.
Was war passiert?
An diesem grauen Tag im November bekam ich ein Nintendo Entertainment System und das Spiel Super Mario Bros. 3 geschenkt. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen: Stunde um Stunde, verbrachte ich damit, auf Schildkröten und Gumbas zu hüpfen, POW-Blöcke zu aktivieren und Blätter einzusammeln, die mich beschwingt als Waschbär durch die Lüfte gleiten ließen. Die Hände hatte ich dabei so fest um den Controller geschlungen – das eckige Ding ist aus heutiger Sicht ein ergonomischer Totalschaden – dass noch Tage später Abdrücke auf den Handflächen zu sehen waren.
Am Abend, als die kaum beachtete Geburtstagsgesellschaft abgezogen war, sprang ich freudig auf. »Geschafft! Geschafft! Ich hab’ das Spiel geschafft!« Mein Vater eilte herbei, wahrscheinlich, um seinem Sohnemann anerkennend auf die Schulter zu klopfen. Oder, noch wahrscheinlicher, um insgeheim seine Geschenkeauswahl zu bezweifeln, so ein kurzes Vergnügen und dafür so viel Geld ausgegeben …

Das große N und ich, das passte einfach und tut es bis heute.
Doch das war letztlich egal, stellte sich doch rasch heraus, dass ich lediglich das erste von insgesamt 90 Levels beendet hatte. Diese Aufgabe, heute in schätzungsweise unter 12 Sekunden erledigt, hielt mich den Tag über beschäftigt. Zwar sollte sich mein Gaming-Skill in den folgenden Jahren verbessern, die große eSports-Karriere ließ sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits ausschließen.
Dennoch: Der Grundstein für eine innige Liebesbeziehung war gelegt. Ob dicke Klempner, grüne Zipfelmützen oder wankelmütige Prinzessinnen: Das große N und ich, das passte einfach und tut es bis heute.
We were on a break!
Wie das so ist in langen Liebesbeziehungen: Man durchlebt Höhen und Tiefen. Manchmal ist der Lack einfach ab, dann scheint eine Trennung für beide Seiten das Vernünftigste. So geschehen beim Kollegen Briel und der Nintendo Switch.
Den bislang größten Prüfstein unserer Beziehung erreichten Big N und ich im Juni 2011. Es war die E3, auf der Nintendo die Wii U vorstellte. Mit der Wii hatte man zuvor etwas geschafft, dass in diesem Maße noch keinem Hersteller gelungen war: Man hatte Videospiele vollends in die Wohnzimmer der Menschen geholt. Die Wii hat unser Hobby gegenüber einer breiten Öffentlichkeit salonfähig gemacht.

Doch nicht nur Peter Parker weiß: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Dieser ist man mit der Wii U leider nicht nachgekommen. Sie ist bis heute die einzige Heimkonsole von Nintendo, die ich nie besessen habe. Das Konzept überzeugte mich nicht, das Gerät selbst erschien mir hässlich und billig, der Controller zu klobig und in seiner Funktion unnütz. Softwareseitig hingegen gab es durchaus einige Titel, die ich gerne gespielt hätte, etwa Donkey Kong: Tropcial Freeze, Mario Kart 8 oder das tolle HD-Remake von The Legend of Zelda: The Wind Waker. Doch für weniger als eine Handvoll Spiele eine ganze Konsole anschaffen? Da waren der Pragmatiker und der Sparfuchs in mir lauter.
Zaghafte Annäherungsversuche
Und dann kam die Switch. Nach anfänglicher Skepsis – der Stachel der Enttäuschung saß noch immer tief und der verletzte Stolz forderte seinen Tribut – wuchs die Vorfreude auf das neue Stück Technik zusehends. Einem Zelda zum Launch ist einfach nur schwer zu widerstehen. Aber auch die Aussicht auf kommende Highlights wie Super Mario Odyssey und die Umsetzung von Mario Kart 8 waren Grund genug, der erkalteten Beziehung eine neue Chance zu geben.
Zudem überzeugte mich letztlich das Konzept der Hybrid-Konsole: Es ist innovativ und spricht eine Vielzahl Menschen und deren unterschiedliche Vorlieben an. Ich selbst spiele nie unterwegs, dafür aber gerne mal im Bett oder auf dem Sofa liegend, während der Fernseher anderweitig genutzt wird. Primär ist die Konsole für mich ein Heimgerät, das auch ohne mobile Nutzbarkeit gut funktionieren würde. Für andere wiederum ist die Switch in erster Linie ein Handheld – und spielt aus dieser Sicht in einer eigenen Liga. Wo sonst kann man mit ikonischen Helden wie Link und Mario auch unterwegs große Abenteuer bestreiten? Wer unterwegs eine Runde gegen den virtuellen Ball treten möchte, findet wohl keine bessere Alternative als den Switch-Ableger eines FIFA 19. Ein Smartphone-Spiel, das in Form, Umfang und Technik mit Skyrim mithalten kann? Wäre zumindest mir nicht bekannt. Für ernsthafte Spieler kommt die größte Konkurrenz zur Switch mit dem 3DS aus gleichem Hause.

Für andere wiederum ist die Switch in erster Linie ein Handheld – und spielt aus dieser Sicht in einer eigenen Liga.
Die Sache mit den inneren Werten
Für Handheld-only-Nutzer fällt die oft gescholtene, schwache Technik der Switch wenig ins Gewicht – schöner spielt es sich schlicht auf keinem anderen mobilen Gerät.
Apropos Technik: Dass Nintendo beim großen Wettrüsten der Konkurrenz seit Jahren als neutraler Beobachter an der Seitenlinie steht, ist gemeinhin bekannt. Wäre ein bisschen mehr Power unter der Haube wünschenswert? Klar. Tut es dem Spielspaß am Ende des Tages einen Abbruch? Für mich nicht.
In langjährigen Beziehungen gewöhnt man sich an den Anblick des Gegenübers ohne Make-Up. Und beteuern wir nicht alle, dass letztlich die inneren Werte zählen? The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder Super Mario Odyssey wären mit stärkerer Hardware keine noch besseren Spiele geworden. Mario Kart 8 Deluxe sieht auf und neben der Strecke dank zahlreicher Details einfach klasse aus – auf einem 42 Zoll-TV genauso wie im Handheld-Modus.
Mit Blick auf Multiplattformspiele mag die limitierte Technik eine Einschränkung sein, keine Frage. Nun bin ich so gar kein Fan von dröger Einheitskost und daher nur leidlich interessiert an den ganzen Call of Dutys, Assassin’s Creeds und Battlefields dieser Welt. Die zugrunde liegende Technik verkommt zur Nebensache, wenn die Entwickler mich an jeder Ecke mit deren Ideenreichtum, Kreativität und Liebe zum Detail überraschen, verzaubern, einfach gut unterhalten. Spielen wir nicht auch deswegen Videospiele? Solche Erlebnisse finde ich damals wie heute (nahezu) ausschließlich bei Nintendo.

Das Gute nimm’ mit und füg’ Neues hinzu
Da die Wii U wie oben angesprochen nie den Weg in mein Wohnzimmer fand, freue ich mich über Portierungen auf die Switch. Kritiker halten dagegen, Nintendo mache es sich einfach, serviere zu viel aufgewärmte und nur leidlich schmackhaftere Kost. Verständlich, doch gebe ich zu bedenken: Von der Switch wurden bereits im ersten Jahr nach Release mehr Konsolen verkauft, als von der Wii U über deren gesamten Lebenszyklus. Man darf daher annehmen, sehr viele Ersttäter anzusprechen, die zuvor nie mit Donkey Kong: Tropical Freeze oder Super Mario Bros. U in Berührung kamen – und diese Perlen jetzt nachholen dürfen.
Gelungene Umsetzungen sind das eine, entscheidend ist am Ende des Tages jedoch der exklusive Spielenachschub. Und auch hier besteht wenig Grund zur Klage. The Legend of Zelda: Breath of the Wild, Super Mario Odyssey, Mario + Rabbids: Kingdom Battle, Octopath Traveler, Super Smash Bros. Ultimate, die Pokemon Let’s Go-Serie, Super Mario Party – die Liste ist lang und wir zusehends länger.
Bei aller Quantität stimmt auch die Qualität: In der Vergangenheit hat mich selten ein Spiel dazu motiviert, es zu 100 % abschließen zu wollen – in Marios Odyssee habe ich tatsächlich alle 999 Monde gesammelt und jedes verfügbare Outift erspielt. Mit Link habe ich bereits über 120 Stunden in Hyrule verbracht und den Abspann noch immer nicht gesehen – weil ich mir einfach Zeit lassen und genießen möchte. Super Smash Bros. Ultimate ist nichts weniger als eine Hommage an mindestens 30 Jahre Videospiel-Geschichte. Wo sonst kann man den schlappohrigen Hund aus Duck Hunt steuern, der wohl nur älteren Lesern aus dem Pistolen-Shooter auf dem NES bekannt sein dürfte? Diese kleinen Details sind es, die Spiele von Nintendo so wohltuend von den immer gleichen, jährlichen Aufgüssen der Mitbewerber unterscheiden.
Zu meiner eigenen Überraschung erregen immer häufiger auch Indie-Titel und vermeintlich kleinere Produktionen meine Aufmerksamkeit. Stardew Valley gehört für mich als Fan des Ur-Harvest Moon auf eine Nintendo-Konsole und wirkt wie gemacht für die Switch. Von der Möglichkeit, unterwegs oder abseits des TV-Geräts gespielt zu werden, profitieren auch Titel wie Hollow Knight, Monster Boy oder die SteamWorld-Serie. Letztere erhält mit SteamWorld Quest: Hand of Gilgamech noch in diesem Jahr einen (vorerst) Switch-exklusiven RPG-Ableger.




Hand in Hand in eine rosige Zukunft
Wie geht es also weiter, jetzt, nachdem die Wieder-Annäherung geglückt ist? Die Sterne am Spielehimmel verheißen jedenfalls Gutes für das restliche Nintendo-Jahr 2019: Noch in diesem Monat feiert Yoshi sein Switch-Debüt, im weiteren Jahresverlauf folgen mit Super Mario Maker 2, Luigis Mansion 3, Animal Crossing, einem brandneuen Pokemon und natürlich dem Remake von Zelda: Link’s Awakening zahlreiche neue Spiele – und das sind nur die, von denen wir bereits wissen.
Langweilig dürfte es also nicht werden.
Und sollte wider Erwarten doch mal eine kleine Durststrecke aufkommen, versuche ich mich einfach daran, Level 1-1 in Super Mario Bros. 3 in weniger als einem Tag abzuschließen – wäre doch gelacht!