Artikel 13
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Wir brauchen eine Urheberrechtsreform, schließlich hat das Web schon vor Jahren alles auf den Kopf gestellt. Ich bin selbst GEMA-Mitglied und habe mich vor vielen Jahren als Beat-Bastler für die türkische Hip-Hop-Gruppe »Cartel« verdingt. Der Kram war richtig erfolgreich und ich stolpere immer wieder über YouTube-Channels, die unsere damaligen Hits anbieten und die entsprechenden Videos mit Werbung zuballern. Ich verdiene daran keinen Cent, obwohl meine Beats aus den Boxen wummern. Ich werte das als Kollateralschaden der digitalen Revolution und deshalb stört es mich nicht wirklich. Ich würde auch nie rechtliche Schritte deshalb unternehmen, aber gerade, weil immer mehr Content nur noch online konsumiert wird, müssen die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt werden. Es gilt junge Kreative zu schützen, damit sie zumindest mitverdienen können, wenn sich Dritte an ihren Inhalten bereichern.

Nicht umsetzbarer Murks

Unsere Volksvertreter prahlen, für die Rechte der Urheber zu kämpfen, doch ihre Reform wird Kreative eher behindern statt sie zu stärken. Beispielsweise sieht Artikel 13 vor, dass Online-Plattformen mit den Rechteinhabern Lizenzvereinbarungen abschließen. Welche Rechteinhaber gemeint sind, wird aber nicht konkretisiert. Muss YouTube jetzt mit allen Bands und Labels dieses Planeten einen Vertrag abschließen? Wie ist das, wenn Einzel-Deals für unterschiedliche Territorien abgeschlossen wurden? Die Serie House of Cards ist eine Netflix-Produktion, doch in Deutschland hat sich der Bezahlsender Sky die Exklusiv-Rechte für sechs Monate gesichert. An wen müsste sich ein Plattformbetreiber wenden, wenn er eine Rezension veröffentlichen möchte, die kurze Schnipsel dieser Serie enthält? An Sky? An Netflix Deutschland? An Netflix USA? Alle drei zusammen? Das ist nur ein simples Beispiel und bei Weitem kein Einzelfall. Artikel 13 wirft unzählige Fragen auf, die aktuell niemand beantworten kann. Die Politik wälzt das Problem einfach ab und hofft, dass es sich irgendwie von selbst regelt.

Das größte Problem stellen die Upload-Filter dar. Diese prüfen jedes Pic, jeden Video-Clip, jede Musikdatei und jeden Beitrag, den Nutzer einer Webseite hochladen. Problematische Inhalte werden automatisch aussortiert. Große Konzerne wie YouTube oder Facebook setzen solche Programme bereits ein, doch kleinere Plattformen müssten diese entweder selbst entwickeln oder teuer einkaufen. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht: »Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ›filtern‹, lehnen wir als unverhältnismäßig ab.« Ok, im neuen Kompromisstext zur Urheberrechtsreform werden Upload-Filter tatsächlich nicht explizit erwähnt. Allerdings sollen Unternehmen und Plattformen alles ihnen Mögliche unternehmen, um Urheberrechtsverstöße komplett auszuschließen. Wie? Entweder bezahlen sie unzählige Mitarbeiter, die jeden einzelnen User-Upload prüfen und manuell freigeben oder sie bemühen eine Software, die das automatisch erledigt. Damit wären wir dann wieder beim Upload-Filter.

Seine Befürworter argumentieren, dass der Upload-Filter nur kommerzielle Plattformen betrifft, die Geld mit urheberrechtlich geschützten Inhalten Dritter verdienen. Klingt erst einmal vernünftig, aber was heißt das konkret? Gilt das auch für Blogger, die Spiele und Filme rezensieren und ein paar Cent mit Google AdWords verdienen? Hier wedeln die Verantwortlichen stolz mit einer Ausnahmeregelung. Wenn das Unternehmen weniger als drei Jahre alt ist, der Jahresumsatz bei unter zehn Millionen Euro liegt und die Plattform weniger als fünf Millionen monatliche Besucher hat, dann braucht es keinen Upload-Filter. Leider liest man gerade hier viel Widersprüchliches. Laut Netzpiloten.de müssen alle drei Punkte erfüllt werden, und deshalb »fallen darunter auch kleine Nischenplattformen / Communities, die bereits seit mehr als drei Jahren existieren. Viele dieser Communities haben selbst nicht einmal den Anspruch, in irgendeiner Form wirtschaftlich zu sein.«

Was sagen die Betroffenen?

Ich habe wirklich unzählige Artikel zum Thema studiert und blicke immer noch nicht durch. Also habe ich Betroffene befragt, denn die müssen sich ja gezwungenermaßen mit der neuen Urheberrechtsreform auseinandersetzen. Überraschung: Viele Influencer haben keine oder nur sehr wenig Ahnung. So behauptet Pietsmiet-Mitstreiter Dennis Brammen in einem offenen Brief, dass der Upload-Filter auch Webseiten wie Wikipedia torpediere. Dabei wurden Non-Profit-Angebote wie Wikipedia im neuen Kompromisstext explizit als Ausnahmen deklariert.

Mehrere Influencer haben mir eine Absage erteilt, weil sie sich mit der Thematik noch nicht ausreichend auseinandersetzen konnten und daher befürchten, etwas Dummes oder Falsches zu sagen. Mein geschätzter Ex-Kollege und amtierender Gronkh-Chefredakteur Joachim Hesse ließ sich davon aber nicht abhalten:

»Geltendes Urheberrecht existiert bereits. Unter dem Deckmantel einer Reform scheint die CDU mit Artikel 11 und 13 schlicht Lobby-Arbeit für Großkonzerne wie Axel Springer umzusetzen. Angeblich sollen die Rechte von Kreativen gestärkt werden. In der Praxis erzeugt das Gesetz jedoch hohe wirtschaftliche Zwänge für Internet-Plattformen, deren Folgen vorauseilende Zensur der Betreiber durch Upload-Filter und Schlimmeres sein dürften. Wem nutzt das? Den Kreativen eher nicht, sondern besagten Konzernen, die sich dadurch ein größeres Stück vom Werbegeldkuchen versprechen. Der Plan, das still und heimlich zu beschließen, ist jedoch fehlgeschlagen. Die CDU und alle Volksvertreter, die für dieses Gesetz stimmen, dürfen sich nun überlegen, in welchem Umfang sie die Wünsche der internetaffinen Wähler mit Füßen treten – das Recht sich über abwandernde, junge Wähler zu beklagen, haben die verantwortlichen Parteien danach verwirkt. Auch das scheinheilige ›Wenn es nach mir ginge …‹ sollten sich Politiker sparen – mit solchen Phrasen punktet keiner mehr in der vielleicht doch nicht so gleichgültigen Zielgruppe.«

Mein liebster Hardware-YouTuber Frank Sirius findet ebenfalls klare Worte:

»Beim Artikel 13 stört mich zum einen die Unverhältnismäßigkeit, mit der in Zukunft Plattformen mit User-Generated-Content, eben genau wie YouTube, quasi zum Upload-Filter gezwungen werden. Zum anderen macht es mir aber auch echte Sorgen, wie Politiker und Parteien mit ihren Nachwuchswählern umgehen. Petitionen werden belächelt, Mails an Politiker werden als Bots deklariert und tausende Menschen, die auf die Straße gehen zum Demonstrieren, werden als zu jung abgetan. Wir müssen uns also nicht über Politikverdrossenheit wundern, wenn Menschen, die sich aktiv für Interessen einsetzen, von oben herab nicht ernst genommen werden. Am Ende bleibt es einfach fraglich, inwiefern sich die entscheidenden Politiker überhaupt mit diesem Thema auskennen, über welches sie ihr Urteil fällen und wie wenig sie sich mit den Menschen auseinandersetzt, die so etwas betreffen wird.«

Mein persönliches Fazit: Ich fühle mich ahnungslos und von unseren Volksvertretern im Stich gelassen. Allerdings ist Artikel 13 noch nicht in Kraft getreten. Die endgültige Abstimmung wird im März oder April 2019 stattfinden und vielleicht können die Proteste ja doch noch das Schlimmste verhindern?