Key Art (Book of Demons)

Ich möchte diesen Artikel mit einer Beichte beginnen: Ich war nie Diablo-Fan. Ich habe zwar jeden Teil der Serie gekauft und kürzlich auch bei der Switch-Version zugeschlagen, aber irgendwie ging mir immer nach wenigen Stunden die Motivation flöten. Dabei finde ich es eigentlich sehr cool, durch monsterverseuchte Dungeons zu pflügen, Schatzkisten zu plündern und dabei immer stärker zu werden. Baldur’s Gate: Dark Alliance habe ich geliebt und dasselbe gilt für The Bard’s Tale von InXile Entertainment. Seitdem wurden eine Menge dieser Hack&Slay-RPG-Dingsbums-Action-Adventures ausprobiert, aber leider konnten mich Torchlight, The Incredible Adventures of Van Helsing, Victor Vran, Grim Dawn, Path of Exile und so weiter nicht überzeugen. Warum das so ist? Keine Ahnung. Vielleicht ist es genetisch bedingt. Genau deshalb habe ich mich in den vergangenen 20 Jahren auch geweigert, Reviews zu solchen Titeln zu verfassen.

Bei Book of Demons ist es genau umgekehrt. Nach über zehn Spielstunden fühle ich mich geradezu verpflichtet, einen Test zu schreiben. OK, die Beschreibung im Steam-Store fand ich etwas abschreckend: »Book of Demons ist ein Hack & Slay Deckbau Hybrid, in welchem DU die Länge deiner Quests bestimmst. Führe magische Karten anstatt von Waffen in den Kampf gegen die Armeen der Dunkelheit in den Verliesen unterhalb der alten Kathedrale und rette das Paperverse!«

Ich war hin und hergerissen.

Teufelchen: »Sammelkartengrütze kommt mir nicht in die Tüte!«

Engelchen: »Das Spiel hat über 4.500 sehr positive Bewertungen, also kann es so schlecht nicht sein.«

Teufelchen: »Despacito ist der schlimmste Song der Welt und hat auch über 30 Millionen Likes auf YouTube. Massengeschmackskompatibilität ist kein Garant für Qualität.«

Engelchen: »Wir installieren es jetzt einfach. Wäre ja nicht unser erster Fehlkauf und es kostet ja nur 21,99 EUR!«

Komfortfunktionen Galore

Ich warf alle Bedenken über Bord. No risk, no fun! Die erste Auffälligkeit ist der außergewöhnliche Grafikstil. Während viele Indie-Games ihre technische Zweckmäßigkeit mit angesagter 8-Bit-Retro-Pixel-Schminke kaschieren, kommt Book of Demons mit einem sehr eigenen Look daher. Als hätte man die Spielfiguren aus einem Blatt Papier geschnitten und anschließend origamimäßig gefaltet. Optisch reißt der Titel keine Bäume aus, dafür läuft das Ganze auch auf weniger potenten Systemen flüssig.

Artwork; Jäger (Book of Demons)

Als hätte man die Spielfiguren aus einem Blatt Papier geschnitten und anschließend origamimäßig gefaltet.

Ich begann mein Abenteuer als Krieger, da die anderen beiden Klassen (Magier und Jäger) erst etwas später freigeschaltet werden können. Im ersten Dungeon wurde ich sofort mit genialen Komfortfunktionen konfrontiert, die das Spiel sehr zugänglich und kundenfreundlich machen. Ich zähle diese jetzt einfach mal auf.

  1. Die Spielfigur bewegt sich quasi wie auf Schienen durch zufallsgenerierte Levels. Ihr könnt die Richtung bestimmen, zahlreiche Abzweigungen nehmen, aber nicht die Wege selbst verlassen. Sich zu verlaufen ist ebenfalls unmöglich, weil dank eurer Fußspuren immer ersichtlich ist, ob ein Weg bereits beschritten wurde oder nicht.
  2. Musstet ihr schon mal ein Rollenspiel kurz vor dem Dungeon-Boss unterbrechen, weil ihr keine Zeit mehr hattet? Das ist extrem unbefriedigend und kann bei Book of Demons glücklicherweise nicht passieren. Vor jedem Dungeon-Einstieg dürft ihr den Spielumfang selbst bestimmen. Ihr habt nur ein paar Minuten Zeit? Dann wählt eine kurze Session aus. Belohnungen und Gegner werden dabei automatisch skaliert. Ihr passt die Spielerfahrung also mit nur einem Klick eurem persönlichen Zeitplan an. Ganz gleich, ob ihr gerade acht oder achtzig Minuten zur Verfügung habt.
  3. Man muss einfach nur mit dem Cursor draufhalten, um Loot einzusammeln und Gegner oder Objekte anzuvisieren. Sobald sich ein Feind in Reichweite befindet, kann er automatisch attackiert werden. Klingt erst einmal anspruchslos, doch mit der Zeit gesellen sich immer mehr Feinheiten dazu. Zum Beispiel Typen, die erst verwundbar sind, wenn man ihre Schilde zerstört oder Zombies, die platzen und die Spielfigur vergiften können. Man muss sich also eine genaue Strategie überlegen und sehr taktisch vorgehen, um auch in späteren Dungeons eine Chance zu haben. Dabei führt euch das Spiel vorbildlich an die wachsende Herausforderung heran.
  4. In vielen RPGs sucht man regelmäßig die Oberwelt auf, in der Hoffnung, dass es neue Waren oder Quests gibt – nur um enttäuscht festzustellen, dass eben nix Neues geboten wird. Book of Demons verrät euch aber direkt nach jedem Dungeon-Ausflug, ob sich im Dorf etwas getan hat oder nicht. Keine Zeitverschwendung mehr!

Simpel, aber anspruchsvoll

Ihr pflügt also durch ganze Horden von Monstern, macht Bosse platt, sammelt dabei jede Menge Krempel ein und werdet immer wieder von der erfrischenden Simplizität des Titels überrascht. Selbstverständlich bieten Titel wie Diablo 3 oder Path of Exile deutlich mehr Tiefe, aber anspruchslos ist Book of Demons trotzdem nicht. Beispielsweise finden sich in den Dungeons unterschiedlichste Sammelkarten, die euch Buffs, Fähigkeiten und Zauber verleihen. Mit zunehmender Spieldauer lernt ihr, dass ein gut zusammengestelltes Karten-Deck über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Ihr könnt das Deck eurem eigenen Spielstil anpassen und das Erlebnis dadurch maßgeblich beeinflussen. Die Entwickler müssen sehr viel Zeit in diesen Aspekt des Spiels investiert haben, weil das Kartensystem wirklich super ausbalanciert ist.

Übrigens habe ich auch die Klangkulisse ins Herz geschlossen, denn irgendwie wird das Belohnungszentrum meines Gehirns von den Sound-Effekten dieses Spiels besonders heftig getriggert. Dicke Zauber, zerbröselnde Feinde, das Öffnen von Kisten, aber ganz besonders das Einsammeln von Loot – alles klingt extrem befriedigend. Ein ähnlich schönes Feeling wie auf Luftpolsterfolie herumzudrücken. Ich muss die Entwickler unbedingt mal fragen, ob deren Sound-Abteilung von einem Psychologen beraten wurde.

Mein Fazit: Book of Demons als »Diablo Light« zu bezeichnen, wird dem Genie des Spiels nicht gerecht. Tatsächlich ist es den Entwicklern gelungen, einen supermotivierenden Dungeon-Crawler zu erschaffen, der sämtlichen Ballast über Bord wirft und sich auf das Wesentliche konzentriert. Ich befinde mich mittlerweile in der zwölften Spielstunde und habe noch keine Abnutzungserscheinungen registrieren können.

PS: Die Steam-Beschreibung ist nicht ganz korrekt, denn ihr könnt selbstverständlich nicht nur magische Karten, sondern auch Waffen führen.